Donnerstag, 29. Juni 2017

Mittwoch, 28. Juni 2017: Schärenpfad als Abkürzung zum Schwerwetter

Der kleine Fischerhafen muss trotz seiner Idylle schon ab 6 Uhr Morgens auf uns verzichten. Der Wetterbericht ist schlecht. Wir sollten vorwärts kommen nach Süden, weil wir wahrscheinlich für eine gewisse Zeit ungünstige Winde haben werden.

Wieder fasziniert die Öland-Brücke. Aber auch verschiedene Leuchtfeuer müssen heute auf den Chip. Das letzte Mal liefen wir mit tiefstehender Sonne und damit starkem Gegenlicht in Kalmars Hafen ein. Deswegen sahen wir das freundliche Empfangsportal rechter Hand gar nicht. In riesigen Buchstaben steht Kalmar angeschrieben.

Der Wind beginnt zu schwächeln und erst noch aus der falschen Richtung zu kommen. Mit einem Motor-Hole-Schlag bringen wir uns wieder auf Kurs in extremem Geschaukel. Immerhin klatscht das arme Schiff nicht auf die Oberfläche, sondern fährt einfach Achterbahn mit uns.  Das wird wohl eine lange Fahrt um unsere nächste Südhuk nach Westen.

Aber durch die Schären gäbe es eine Abkürzung. Mindesttiefe 2,3 Meter. Sollte bei genauer Navigation und Steuerung reichen. In der Papierkarte ist der Weg gut eingezeichnet, das Navi ist sogar viel genauer. Es sieht alles so klar aus. Tonnen rechts und links. Baken auf den Inseln, Richtbaken, um sich im Fahrwasser im Winkel zu halten. Leider fällt in der ersten Enge der Wind mit gut fünf Stärken ein und drückt uns zur Seite. Das Gross blieb stehen, damit sofort weiter gesegelt werden kann, sollte der Motor aussteigen. Zudem hatte es gerade vor den Schären nur sechs bis sieben Knoten Wind. Zum Segeln reicht die Fahrwasserbreite nicht wirklich, aber zur Not müsste man halt. 

Nebst den Spielsachen von irgendwelchen Riesentrollen (Felsbrocken, Häuschen, Steinmannli) liegt auch noch eine Kabelfähre im Weg. Solange sie am Quai ist, liegen die Kabel am Grund. Wenn sie jedoch übersetzen will, spannt sie diese an und zieht sich daran ans andere Ufer. Mit einer solchen Fähre fuhren wir zuletzt in der Nähe von Killybeg in Irland! Setzt die Fähre an zum Queren, ist also für uns kein Weiterkommen im Fahrwasser möglich, weil die Kabel nahe an der Oberfläche durchführen. Das Glück war uns hold. Das nächste Hindernis ist ein zwei Boote breites Fahrwasser. Hier überholt uns ein Kursschiff. Das saust auch einfach durch Wasser, das nach unseren Informationen weniger als einen Meter Tiefe aufweist. Die müssen einen Vertrag mit den Trollen haben!

Aber wir sind noch nicht fertig. Jetzt kommt die Brücke. 18 Meter. Wir haben 17,2 Meter, wie wir jetzt wissen. Der Wind blies einige Zeit aus Westen: könnte Wasser weggeholt haben. Das wäre günstig für uns. Einige Stunden aber jetzt stark aus Osten. Hat er wieder aufgefüllt? Fotoapparat bereit und Geschwindigkeit zurück, trotz drohender Abdrift. Erleichtertes Lächeln nach der Durchfahrt. Alles hat gepasst!
Bald sind wir im Hafen und treffen hier gleich drei weitere Schweizer Boote an. Die Leinen werden von Einheimischen freundlich angenommen.
Nun dauert es nicht mehr lange, bis Starkwind und Regen einsetzt, wie versprochen. Gale-Warnungen von der deutschen Bucht her bis in alle Gebiete der Ostsee.

Eingeweht.

Dienstag, 27. Juni 2017: Expedition nächste Insel


Um fünf Uhr geht’s zum Morgenschwumm mit Heckdusche. Herrlich. Inzwischen wartet im Salon heisser Tee.

Bei diesem Wind heisst es nach Süden zu segeln. Kalmar ist das Ziel. Doch erst einmal folgt die hochkonzentrierte Schärenausfahrt. Ein Traum, diese hingeworfenen Felsen mit manchmal einem einsamen Ferienhäuschen oder auch einem ganzen Wald drauf. Man möchte hier bleiben.

Das Segeln ist wunderbar, bis der Skipper nochmal ein bisschen ruhen möchte. Kein Trimm nützt auch nur das Geringste, um die BonBini auf Kurs zu halten. Der Wind ist derart böig, dass die Handsteuerung in Aktion kommt. Jedenfalls eine Zeitlang. Dann schläft der Wind ein, sodass wir relativ lange vor Borgholm dümpeln.

Während BonBini unter Autopilot jetzt ihren Motorkurs selbständig richtig steuert, sucht sich der Skipper einen Ausweichhafen. Im Papier-Hafen-Führer und den Papierkarten sind weder die Angaben, noch die Häfen in unserer Nähe befriedigend. Aber der elektronisch Gefundene ist ein Märchen! Idyllisch, ruhig, auf einer Insel und sogar genügend tief für die Gästeplätze: einer mit einem grünen Täfelchen und drei an Heckbojen nach insgesamt rund 40 Meilen. Das Hafengeld legt man in einen winzigen, abgeschlossenen Briefkasten oder man bezahlt per „Swish“.

An der Nordmole liegen Fischerbötchen vor den ehemaligen Fischerhütten, die heute Sommerhäuschen sind. Dahinter stehen vereinzelt Camper auf einem baumbestandenen Gelände. Wenn man das Passwort hätte, gäbe es vielleicht sogar Internet.
Das Wetter muss halt heute per Funk-Wetterbericht in Englisch und Schwedisch hereingeholt werden. Hoffentlich haben wir Empfang!

Abends kommt der Hafenmeister doch noch vorbei und bringt die Quittung fürs empfangene Hafengeld.

Sonntag, 25. und Montag, 26. Juni 2017: Bergfest nach „Pleiten, Pech und Pannen“

Nicht von Anfang an, nein. Der Morgenschwumm und der Dorfspaziergang am Sonntag gestalteten sich genau so idyllisch, wie der Hafen es selbst ist. Mitten im Dorf ist ein Park angelegt, durch den sich ein Gewässer windet, das von Kanadagänsen, Graugänsen und Kanuten gleichermassen geschätzt wird. Viele Bänkchen laden zum Innehalten und Geniessen ein.

Der Coop hat täglich von 9-21 Uhr geöffnet, sodass wir unsere Vorräte perfekt ergänzen konnten.
Die Bäckerei ist ein bisschen versteckt und hat nur von Dienstag bis Samstag geöffnet, das Seefahrtsmuseum und Schiffsmagazin hingegen am Sonntag von 18-20 Uhr. Das haben wir erneut ausgelassen. Die Natur geniessen reicht hier vollauf.
Ein bisschen Hafenkino ergänzt die sonntägliche Idylle.
Die gefüllten Peperoni krönte der Skipper mit einem Painkiller als Sundowner (gibt es so praktische Ausdrücke in Deutsch?).

Der Montag startet mit einem Regenbogen im Westen als Begleitung zum Morgenschwumm. Danach aber ist das Wetter eher durchzogen. Rund um uns gewittert es, direkt bei uns wechselt Regen mit starker Bewölkung und Sonne ab.

Um neun Uhr startet die Waschmaschine, wie am Sonntag geplant und eingeschrieben. Internet ist heute keines. Nein, auch das Handy kann sich nicht anmelden.

09:40 Uhr: kein Strom mehr. Woran liegt’s? Der Skipper trifft sich mit anderes Stromlosen. Der Hafenmeister ist noch nicht da.

Die Wäsche steht still. Ach, macht nichts, erst um zwölf Uhr ist die Nächste eingeschrieben.
Einkaufen. Super, genau nach hundert Metern beginnt es zu schütten. Aber auf dem Weg zeigt sich, dass von der Stromversorgung und vom Internet-Anbieter Leute beim Bagger neben einem frisch ausgehobenen Strassengraben stehen. Alles klar!

Nach dem Einkauf tut die Sonne so, als wäre sie nie weg gewesen.

Auf dem Heimweg die Wäsche kontrollieren! Kein Lämpchen brennt, geschweige denn, dass die Trommel sich dreht. Der Hafenmeister ist inzwischen da. Ja, um 14 Uhr soll es wieder Energie geben.
Inzwischen hat der Skipper die Rucksäcke an Bord gehievt und ist daran, seinen Hut zu waschen. Sei gerade vorher im (Salz-) Wasser gelandet, so die lakonische Info.

Was ist denn das? Wieso sind die Bierdosen voller Joghurt? Haben wir ja gar nicht gekauft. Oh, je, der Kartoffelsalat steht schon im Kühlschrank. Tatsächlich, der hat eine Ecke rausgeschlagen bekommen während des Transportes. Also heute keine Käseplätzchen, sondern Bratwürste mit Kartoffelsalat. Doch zuvor mal alles reinigen von der ausgelaufenen Sauce.

14 Uhr: der Strom ist wieder an. Und die Waschmaschinen? Ja, sie haben von selbst wieder gestartet.  Aber jetzt gilt das Kurzprogramm nicht mehr. Also alle warten. Trocknen? Mit Zusatzzeit ist fast alles gut. Jedenfalls konnten heute nicht so viele Leute ihre Wäsche waschen.

Am Ende ist trotz allen Intermezzi alles erreicht, was wir noch wollten und der Regen bezähmt sich auch im Laufe des Tages. Das muss so sein, wenn heute unser Bergfest ist: Ab morgen geht’s wieder nach Süden. 

Von Schärenfahrwasser zu Schärenfahrwasser

Figeholm mit dem schönsten Platz des Hafens.

Bake auf einer Schäre als kleiner Steingupf
Spielzeug der Trolle
Im Hintergrund die blaue Jungfrau
Das Fischerhäfchen mit wenigen Gästeplätzen

... nochmals mit Schleierwölkchen

Damit wir uns Skagennäs' Hafen merken.
Kalmars Willkomm im Vorbeisegeln
Ziemlich schmal, aber mit Peilung gehts.
Anspannung im Revier
Die 18-Meter-Brücke
Mmmh?
Ist ja angeschrieben.
Erleichterung: Es hat auch für die Funkantenne gereicht.
Eine der letzen Inseln vor dem Hafen
Ziemlich viel los im Stadthafen Karlskrona
Wein von der Insel für die Insel. Eingeweht.



















Sonntag, 25. Juni 2017

Samstag, 24. Juni 17: Mit den ersten Schären kommt die 1000ste Meile dieses Törns


Nach dem leisen Ablegen im noch schlafenden Hafen von Borgholm geht’s gen Norden weiter mit Ziel Figeholm. Insel: Holm, Ö, Odde, Udde, Ön, Skär, Näs. Je nach Form sind sie das Eine oder Andere und manchmal eine Halbinsel. Bei Inhaltsangaben auf Lebensmittelverpackungen stehen die Informationen in zwei Sprachen: Norwegisch, Dänisch, Schwedisch auf der einen Seite, Finnisch auf der anderen. Obwohl die drei verwandten Sprachen sogar auch noch unterschiedliche Dialekte haben, scheinen alle so eine Art "Schriftskandinavisch" zu verstehen, von dem nur Finnisch ausgeschlossen ist.

Es zeigt sich, dass der Steuerautomat zu viel zu tun hat bei dem unruhigen Wasser, also doch besser die Windsteuerung. Der Skipper hat es fast geschafft, das Ruderblatt fertig zu montieren von der Badeplattform aus, da erwischt ihn eine Welle bis hoch zu den Knien à Sachen mit Süsswasser spülen, trocknen und etwas Warmes trinken.

Bald sind die Unbilden vergessen und die Blaue Jungfrau taucht am Horizont auf. Von der Seite versteht man dann, wie diese Insel zu ihrem Namen kam. Wahrscheinlich war das noch vor Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“. Denn danach hätte sie einfach „Riesenschlange, die einen Elefanten verschluckt hat“ geheissen. Wäre aber vielleicht auch zu lang.

Statt nur diese dünnen Stangen als Fahrwasserzeichen findet man manchmal auch ehemalige Leuchttürme oder Steinmannli auf Felshaufen. Heute sind wir aber ganz kurze Zeit vor allem froh um den äusserst genauen Plotter und das überlagerte Radarbild. Im Regen wird die Sicht plötzlich sehr beschränkt.

Für die Ansteuerung des idyllischen Hafens begleitet uns wieder die Sonne. Die Genua allerdings verdeckt die Sicht auf die dringend nötigen Stäbchen im Wasser, die uns durchs Felsenlabyrinth führen, deshalb wird sie eingerollt und „Sir Perkins“ übernimmt.

Gekonnt machen wir am Platz 35 mit Heckboje fest und beteiligen uns danach aktiv am Hafenkino. Die Hallberg Rassy älterer Bauart braucht mehrere Anläufe, bis die Boje am Haken hängt und wir die Vorleinen entgegennehmen können. Kaum ist sie fest, kommt der nächste in den Platz daneben. Seine Boje erwischt er nicht, aber dafür treibt er seitwärts zurück über die eben angebrachte Nachbar-Heck-Bojenleine. Super. Turnen des Eigners und Leinen-Übergaben in alle Richtungen sollen es retten. Nützt alles nichts: Hemd und Hose aus und Mann rein, ins Wasser, um die Leine aus den Anhängen des eigenen Schiffes zu befreien und dem Eigentümer vollständig zu überlassen. Weil das ein bisschen Warten am Steg bedeutet, kommt der Klönschnak nicht zu kurz. Über Bojenmanöver, grundsätzlich, die heutigen Böen, das zukünftige Wetter und die herausfordernde Ansteuerung dieses wunderbaren kleinen Hafens.


Weil es so kalt ist (um die 15° C), geht es bald nach dem Abendessen in die Koje. Die Nacht ist klar und um 00:15 Uhr immer noch taghell.